Pokern um die Gehaltserhöhung
Wer mit dem Chef über ein höheres Gehalt verhandeln will, sollte den eigenen Marktwert kennen. Und ein paar taktische Tricks beherrschen.
Gehaltsverhandlungen müssen weh tun – davon ist jedenfalls ein Forscher-Team der Harvard-University, des MIT und der Yale University überzeugt. Die Psychologen wiesen in einer Reihe von Experimenten nach, dass körperliche Wahrnehmungen in Verhandlungs-Situationen über Erfolg und Misserfolg entscheiden können – weil sie unsere Einstellung und unser Auftreten prägen. Sie wollen also mit Ihrem Chef über eine Gehaltserhöhung reden? Setzen Sie sich auf den härtesten und unbequemsten Stuhl, den Sie am Verhandlungstisch finden können! Das stärkt, wenn man den US-Psychologen glaubt, den Kampfgeist und das Durchsetzungsvermögen. Ihr Chef weist Ihnen einen weich gepolsterten, bequemen Stuhl zu? Obacht! Vielleicht kennt er die Ergebnisse der Harvard-Forscher und will dafür sorgen, dass Sie in den Gehaltsverhandlungen schnell weich werden.
Lohnverhandlungen sind für die meisten Angestellten allerdings auch ohne eine harte Sitzgelegenheit schon eher unangenehme Termine, die mit Ängsten und Unsicherheiten verbunden sind. Im Kopf gehen viele Mitarbeiter schon vor dem Termin hart mit sich selbst ins Gericht: Wie viel mehr Geld kann ich verlangen? Wie wird der Chef reagieren? Kann eine unangemessen hohe oder eine zu niedrige Gehaltsforderung meiner Karriere schaden? Welche Gegenargumente wird die Vorgesetzte wohl ins Feld führen – welche Fehler habe ich gemacht, wo habe ich Misserfolge zu verbuchen, die mir zu Last gelegt werden könnten? Sollte ich nicht besser warten, bis die Wirtschaftslage besser ist – oder bis die Chefin von selbst eine Gehaltserhöhung anbietet?
Manche Verhandlungsexperten glauben, dass sich viele Menschen schon durch diese kritischen Selbstgespräche im Vorfeld von Gehaltsverhandlungen so verunsichern lassen, dass sie sich in der tatsächlichen Verhandlungssituation dann selbst im Wege stehen – oder erst gar nicht nach einer Lohnerhöhung fragen. Studien zeigen aber: Je selbstbewusster Angestellte sind, je besser sie ihren Marktwert kennen und je mehr sie sich des Werts ihrer eigenen Arbeit bewusst sind, desto erfolgreicher verhandeln sie in Lohngesprächen. Die beste Vorbereitung auf eine Lohnverhandlung ist daher: Schluss mit dem Gedankenkarussell und den Selbstzweifeln – und her mit den Fakten.
Transparenz schaffen
Der erste Schritt: Den eigenen Marktwert analysieren. Zunächst gilt es, Vergleichswerte zusammenzustellen. Was verdienen Angestellte in der gleichen Region und Branche mit vergleichbarer Qualifikation und Erfahrung? Liegt das eigene Gehalt eher am oberen oder am unteren Rand des Gehaltsspektrums?
Nun gilt es, genauer hinzuschauen: Wie lang ist die letzte Gehaltsverhandlung her? Welchen Mehrwert hat die eigene Arbeit dem Unternehmen seither gebracht? Welche Leistungen und Erfolge, welche zusätzlichen Qualifikationen und Erfahrungen hat man zu verbuchen?
Klares Ziel setzen
Taschenrechner raus: Im zweiten Schritt geht es nun darum, festzulegen, mit welchem konkreten Ergebnis man am Ende vom Verhandlungstisch aufstehen will. Was ist mein Zielgehalt – und welcher prozentualen Lohnerhöhung im Vergleich zum aktuellen Gehalt entspricht es? Strebe ich eine Erhöhung des Fixgehaltes an – oder wäre mir eine Erhöhung des leistungsgebundenen Bonus lieber? Sind auch Zusatzleistungen wie etwa ein neuer Dienstwagen oder ein Zuschuss zu den Kindergarten-Gebühren interessant – oder käme statt einer Lohnerhöhung womöglich eine Reduzierung der Arbeitszeit bei gleichem Gehalt in Frage? Alle Varianten sollten Angestellte vor der Verhandlung einmal durchrechnen – so können sie den Wert von konkreten Verhandlungs-Angeboten des Chefs besser und schneller einschätzen.
Strategie entwickeln
Im dritten Schritt gilt es nun, die richtige Verhandlungsstrategie zu finden. Verhandlungsexperten sind sich über einige rhetorische Grundregeln einig: So verschafft sich etwa einen psychologischen Vorsprung, wer in der Verhandlung den ersten Zug macht. Soll heissen: Eröffnen Sie das Gespräch, indem Sie Ihre Sicht der Dinge darlegen.
Eine weitere Grundregel: Raum für Verhandlungen lassen. Es ist zum Beispiel hilfreich, nicht gleich eine konkrete Zahl als Zielgehalt zu nennen – sondern eine Bandbreite. Wer etwa ein Gehalt von 160000 Franken anstrebt, kann ein Zielgehalt zwischen 155000 und 175000 Franken angeben. Das lässt genug Raum, um auf Gegenargumente des Verhandlungspartners einzugehen, ohne gleich die Berechtigung der eigenen Forderung in Frage zu stellen.
Mindestens ebenso wichtig ist es, im Gespräch den richtigen Ton zu treffen. In einer Gehaltsverhandlung sollten Angestellte niemals emotional auftreten. Es gilt, die Balance zu finden zwischen einem selbstbewussten, aber nicht zu forschen Auftritt. Wichtigste Grundregel lautet: Ruhe bewahren. Statt möglichst schnell auf jede Äusserung des Verhandlungspartners zu reagieren, kann es helfen, dessen Verhalten bewusst zu beobachten, aktiv zuzuhören, Gegenfragen zu stellen und rhetorische Pausen einzulegen. Das signalisiert Gelassenheit und zeigt, dass man sich seiner Sache sicher ist.
Den richtigen Zeitpunkt finden
Gerüstet mit Fakten und strategischen Vorüberlegungen gilt es nun im vierten Schritt, mit dem Chef einen konkreten Verhandlungstermin zu vereinbaren. Bleibt die Frage: Wann ist der beste Zeitpunkt, und wie bekomme ich einen Termin? Klar ist: Private Gründe wie Hausbau oder Nachwuchs haben im Gehaltsgespräch nichts zu suchen und sollten nicht als Anlass für ein baldiges Gespräch angeführt werden. Ein guter Gesprächsanlass ist hingegen etwa ein erfolgreiches geschäftliches Projekt, das kurz vor dem Abschluss steht, ein abgeschlossenes Weiterbildungs-Programm oder ein anderer persönlicher Erfolg im Unternehmen. Auch eine längere Betriebszugehörigkeit kann ein Anlass sein, um nach einem Gehaltszuschlag zu fragen. Wenn im Unternehmen ohnehin regelmässige Mitarbeitergespräche anstehen, können auch diese Termine gut geeignet sein für Gehaltsverhandlungen – allerdings sollten Mitarbeiter ihren Chefs dann im Vorfeld ankündigen, dass sie bei diesem Termin auch über ihr Gehalt reden wollen.
Und was, wenn der Chef am Ende trotzdem keine Gehaltserhöhung anbietet? Dann ist es womöglich Zeit, Bewerbungen zu schreiben. Die Frage nach ihren Gehaltsvorstellungen für einen neuen Job können Angestellte nach all der Verhandlungs-Vorbereitung immerhin aus dem Stehgreif beantworten.